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Eisenbahnromantik auf Ausbildungsfahrt

Ich werde Schlafwagen-Begleiter! Auf meiner ersten spontanen Ausbildungsfahrt hatte ich meine Kamera dabei. Ein Bericht …

Es ist ja kein Geheimnis mehr, dass ich nebenbei als Schlafwagen-Betreuer angeheuert habe. In der vergangenen Woche hatten wir unsere letzte Schulung, bevor es auf die erste echte Einschulungsfahrt bis nach Stockholm geht!

Meine Gruppe hatte das große Glück, sich den Zug schon mal anzusehen. Da ich an dem Abend sowieso nach Hause musste und der SJ-EuroNight ohnehin auf seiner Reise nach Stockholm in Hamburg Halt macht, bot es sich an, dass ich anstelle des ICEs einfach auf meinem künftigen Arbeitsplatz die Reise nach Hamburg antrete.

Da steht unser Gefährt des heutigen Tages.

Der Zug stand also in Berlin-Lichtenberg in der Abstellung, war aber noch nicht ganz komplett. Denn an Gleis 21 des Personenbahnhofs stand ein einzelner Liegewagen herum, der unsere Aufmerksamkeit auf sich zog. Kurzerhand entschieden wir uns zusammen mit unserem Ausbilder Marc dazu, einfach mal einen Blick in den Wagen zu werfen, bevor wir rüber zum großen Zug gehen.

Doch lange ging das nicht gut, denn zwei Rangierer kamen mit ihrer Diesellok angefahren waren drauf und dran, uns mitsamt Waggon wegzurangieren. Gut, dass wir das gerade noch so bemerkt haben. Wer weiß, wohin sie uns gefahren hätten …

Ein einsamer Liegewagen steht in Lichtenberg am Gleis 21 und wird gleich wegrangiert.

Bevor wir also zum Rangierunfall der anderen Art geworden wären, haben wir uns lieber zu Fuß auf den Weg gemacht. Der Zug wird täglich auf dem Gelände der DB Regio abgestellt, dort ver- und entsorgt, gereinigt und gegebenenfalls auch neu zusammengestellt.

Zugchef Toni hat den Zug an diesem Tag bis Hamburg begleitet und im Vorlauf einige Rangierarbeiten übernommen …

Zugchef Toni atmet einmal durch macht eine Pause, bevor ihn gleich die Horde Azubis überrennt.

Im Zug angekommen, machten wir uns auf den Weg durch die verschiedenen Wagen und schauten gemeinsam mit unserem Ausbilder und den übrigen an der Schulung teilnehmenden Menschen hinter die Kulissen der Schaltschränke und vielen versteckten Türen und Schubladen, die so ein Wagen hat.

Während wir so die Eigenheiten der Wagen begutachteten, wurden wir durch Zugchef und Lokführer in einer Sägefahrt an den wartenden Wagen, der zuvor von den Rangierern auf ein anderes Gleis gebracht wurde, rangiert.

Als die übrigen Teilnehmenden den Heimweg per S-Bahn antraten, holten Marc und ich noch notwendige Reste des Caterings vom Bahnhof ab, ich unterstützte im Anschluss direkt Marc bei der Versorgung der Abteile mit Wasser, während Toni die Bremsprobe durchführte und letzte Absprachen tätigte. Ich war voll in meinem Element: Eisenbahnen, Rangierbahnhof, Service und coole Menschen! Das hat Spaß gemacht!

Das Gefährt des Tages umgeben von roten Rennern.

Wir machten uns also auf dem Weg: die große Hafenrundfahrt, einmal nördlich um die Kernstadt Berlins bis nach Gesundbrunnen. Gemütlich ging die ganze Sache zu, denn so eine Bereitstellungsfahrt steht in der Nahrungskette der Fahrpläne ziemlich weit unten. Noch weiter unten, als die eigentliche Nachtzugfahrt selbst.

Abfahrtauftrag in Berlin-Gesundbrunnen …

In Berlin-Gesundbrunnen sind wir pünktlich eingefahren. Die Fahrgäste warteten bereits auf unseren Zug und der Einstieg ging fix vonstatten. Scheinbar hatten die meisten ihren Wagen recht problemlos gefunden, denn großes Gewusel im Zug blieb aus. Recht pünktlich setzten wir uns dann also in Bewegung und verließen Berlin bei schönstem Wetter erst einmal in Richtung Wolfsburg – Bauarbeiten sind der Grund für diese ungewöhnliche Route.

Ein kleines Wettrennen mit einer Berliner S-Bahn.

Zugchef Toni nahm mich direkt mit und ließ mich erstmal machen – ich sage mal so: es gab offenbar nicht viel zu meckern. Ausgestattet mit Passagierliste und guter Laune zogen wir durch die Wagen, begrüßten unsere Fahrgäste und prüften, ob auch alle ein Ticket hatten und am richtigen Platz saßen. Es waren wohl nur Profis an Bord, denn es gab nichts auszusetzen.

Es waren also alle betrieblich notwendigen Aufgaben erledigt: alle saßen auf ihrem Platz, es stand kein Gepäck irgendwo herum, der Zug war in einwandfreiem Zustand, die Fahrgäste machten einen zufriedenen Eindruck … Zeit für uns, ins Dienstabteil zu gehen, die wunderbare Aussicht zu genießen und über Gott und die Welt zu quatschen.

Ich bin mir sicher: gäbe es einen Wikipedia-Artikel zum Begriff „Eisenbahnromantik“, so könnte man da dieses Foto einfügen.
Romantischer wird es heute nicht mehr …

Irgendwo in der ostdeutschen Prärie ging dann spektakulär die Sonne unter. Wie schön, dass die guten alten Liegewagen Übersetzfenster haben, die einen klaren Blick bei Fahrtwind im Gesicht zulassen.

So viel ist sicher: die Fahrplanlage, in der der SJ unterwegs ist, ist gemütlich. SEHR gemütlich. Zwar durften wir aus technischen Gründen maximal 130 km/h fahren, in der Zeit bis Hamburg hätten wir aber sicherlich auch nur 50 fahren können und wären bestimmt noch pünktlich angekommen. In äußerst regelmäßigen Abständen hielten wir an und ließen schnellere Züge vorbei. Aber wir haben ja Zeit …

Kleine Pause irgendwo im Nirgendwo …

Trotz unserer vielen Pausen und des permanenten „Schleichens“ sahen wir etwa eine halbe Stunde vor Plan überraschend die S-Bahn-Station Hamburg-Aumühle an uns vorbeiziehen! Ob man uns noch mal in Bergedorf parkt, bis wir in den Hauptbahnhof einfahren dürfen, rätselten wir. Doch auf geradem Wege und ohne große Hafenrundfahrt über die Oberhafenbrücke, ging es für uns in den Hauptbahnhof …

Einfahrt auf Gleis 6 des Hamburger Hauptbahnhofs …

Hier war ein langer und schöner Tag vorbei. Toni und ich verabschiedeten uns voneinander, um dann festzustellen, dass wir bald schon wieder zusammen fahren werden, denn auf meiner Einschulungsfahrt wird er wieder Zugchef sein. Wie schön, dass wir uns gut verstanden haben!

So ging zufrieden und mit einem Lächeln im Gesicht nach Hause und freue mich auf die neue Zeit.

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